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Sinnesleistung – Sehen oder Warum haben Spinnen so viele Augen?


Letzte Aktualisierung: 27.10.2019

Die meisten Spinnen haben acht Augen, einige wenige sechs und manche in Höhlen lebende Arten haben gar keine Augen. Allerdings haben nur wenige Spinnen ein gutes Sehvermögen.

Portrait der Kräuseljagdspinne  (Zoropsis spinimana)
Portrait der Kräuseljagdspinne (Zoropsis spinimana)

Nach obenDie Anordnung der Spinnenaugen

Das erste was einem auffällt, wenn man sich mit Spinnen beschäftigt und ihnen dabei in die Augen schaut, ist, dass sich die einzelnen Familien nicht nur in der Zahl sondern auch in der Stellung und der Größe der Augen unterscheiden.

Die Augen sind in charakteristischer Weise angeordnet und können auch zur Bestimmung der Familienzugehörigkeit einer Spinnenart mit herangezogen werden.

Anordnung der Spinnenaugen
Die Grafik ist eine symbolisierte Darstellung der Augenstellung verschiedener Spinnenfamilien in Frontansicht. Sie orientiert sich an der Grafik aus dem Buch von Dick Jones, Der Kosmos Spinneführer, Franckh'sche Verlagshandlung, W. Keller & Co., Stuttgart 1984

In der Regel sind die Augen der Spinnen in zwei Reihen angeordnet, zumindest dann, wenn man sich die Reihen auch gebogen denken kann. Zieht man nun eine horizontale Linie zwischen den beiden Augenreihen, dann spricht man bei den Augen unterhalb der Linie von den vorderen und bei den Augen oberhalb der Linie von der hinteren Augenreihe.

Unterschiedet man dann noch nach Mittel- und Seitenaugen, hat man die Bezeichnung für die Spinnenaugen zusammen, also Vordere Mittelaugen, Vordere Seitenaugen usw.

Die Größe der Spinnenaugen ist zwischen den einzelnen Arten dabei höchst unterschiedlich und kann von sehr klein bis zu scheinwerferartigen Ausmaßen gehen.

Recht kleine Augen haben beispielsweise die Laufspinnen (Philodromidae) und die Krabbenspinnen (Thomisidae). Deutlich größere Ausmaße nehmen zumindest die Hinteren Mittelaugen bei den Wolfsspinnen ein. Bei den Springspinnen (Salticidae) haben die Vorderen Mittelaugen die Ausmaße kleiner Scheinwerfer. In unseren heimischen Breiten haben wir damit bereits das Ende erreicht. Getoppt wird das allerdings von der Kescherspinne (Deinopis spinosa). Diese nachtaktive Spinne hat eine besondere Form der Jagd entwickelt. Kopfüber hängt sie knapp über den Grund und hält zwischen ihren Beinen ein Netz. Krabbelt ein Beutetier unter ihr hindurch wirft sie blitzschnell das Netz aus und wickelt die Beute darin ein. Voraussetzung für diese Art der Jagd ist ein gutes nächtliches Sehvermögen.

Nach obenWarum haben Spinnen acht Augen?

Eine interessante Frage, allerdings muss man sagen: sie ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Evolution erfolgt nicht zielgerichtet nach einem Plan, vielmehr ist es so, dass jedes Spinnenindividuum biotischen und abiotischen Faktoren ausgesetzt ist. Bestimmte Eigenschaften bei gegebenen Umweltbedingungen stellen dann einen Fitnessvorteil dar. Das Individuum überlebt, kann sich fortpflanzen und bringt damit seine Gene in den Genpool ein.

Um sich der Antwort zu nähern, worin der Fitnessvorteil vieler Augen liegt, muss man also deren Funktion untersuchen.

Schauen wir uns zunächst einmal die Funktionen der Augen an und welche Sehleistungen sie erbringen. Die Welt der Spinnen ist formenreich. Das Sehvermögen bei den verschiedenen Spinnenfamilien ist unterschiedlich, allgemeine Aussagen sind daher immer ein bischen problematisch. Um uns aber nicht im Detail zu verlieren, tun wir es dennoch.

Bei den meisten Spinnenarten ist das Sehvermögen wenig ausgeprägt. Sie verwenden eher ihre Sinne zum riechen, hören oder schmecken, um sich in ihrer Umwelt zurecht zu finden. Natürlich sind die Augen deswegen nicht funktionslos, so können sie bestimmte hell und dunkel Reize unterscheiden. Webspinnen werden beispielsweise dadurch dazu veranlasst, ihr Netz gegen Abend neu zu bauen. Auch schnelle Bewegungen können wahrgenommen werden, um sich vor Fressfeinden rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

Nichtsdestotrotz gibt es auch Spinnen, für die der Gesichtssinn eine bedeutsamere Rolle spielt. Das sind beispielsweise die Wolfspinnen oder auch die Springspinnen.

Nach obenHaupt – und Nebenaugen

Eine wichtige Unterscheidung bei den Spinnenaugen ist die nach Haupt- und Nebenaugen. Die Unterscheidung wird deswegen getroffen, da sich der Aufbau der Hauptaugen deutlich von dem Aufbau der Nebenaugen unterscheidet.

Bei den Hauptaugen handelt es sich immer um die Vorderen Mittelaugen. Sie sind nach vorne gerichtet und beweglich. Genauer gesagt ist die Retina beweglich, da sie durch Muskeln seitlich verschoben werden kann. (1) Durch diese Fähigkeit erweitert sich das Gesichtsfeld der Spinnen zum Teil erheblich.

Exkurs – Spinnen mit sechs Augen

Spinnen, die nur über sechs Augen verfügen (Dysderidae, Oonopidae, Sicariidae), fehlen die Vorderen Mittelaugen. Zu den Dysderidae gehört beispielsweise die recht imposante Dysdera crocata (2). Wer Glück hat, dem begegnet das Tier im eigenen Keller. Sie ist unverwechselbar: groß, knallroter Vorderkörper, kräftige Beine, gelblich grauer Hinterkörper, mächtige Kieferklauen. Zu den Sicariidae gehört auch die Gattung Loxosceles zu denen sowohl die in Europa vorkommende Loxosceles rufescens (3) als auch die in den USA vorkommende Braune Einsiedlerspinne (Loxosceles reclusa) gehört, deren Biss unangenehme Folgen haben kann (4).

Die Nebenaugen der meisten Spinnen verfügen über ein sogenanntes Tapetum, während das bei den Hauptaugen nicht der Fall ist. Kein Tapetum haben Springspinnen und Luchsspinnen (5).

„Das einfallende Licht passiert die Netzhaut, wird an dieser Schicht [dem Tapetum, Marko Leson] reflektiert und passiert die Netzhaut ein zweites Mal“ . Das Tapetum ist also eine reflektierende Schicht innerhalb des Auges, das die Lichtausbeute in der Dämmerung erhöht (6).

Nach obenSpinnenaugen leuchten im Dunkeln

Da die Hauptaugen nicht über ein Tapetum verfügen, erscheinen sie schwarz. Die Nebenaugen allerdings können wie Scheinwerfer zurückstrahlen, wenn sie im Dunkeln angeleuchtet werden. Bei Wolfsspinnen kann man das gut beobachten. Zum einen weil sie vergleichsweise große Augen haben und zum anderen weil sie über ein ausgeprägtes Tapetum in den Nebenaugen verfügen. So kann man, wenn man sich nachts mit einer Taschenlampe auf die Suche nach Spinnen macht, vielleicht mit etwas Glück plötzlich umgeben sein von einer Vielzahl kleiner leuchtender Punkte. Alles Spinnenaugen, die in unsere Richtung schauen… Bei (7) und (8) findet man interessante Erlebnisberichte zu leuchtenden Spinnenaugen.

Nach obenDie Funktion der Spinnenaugen

Zu Beginn haben wir bereits die Anordnung der Spinnenaugen betrachtet. Das Sichtfeld der einzelnen Augen überlappt sich. Da eine Spinne keinen beweglichen Kopf hat, sondern nur ein sogenanntes Kopfbruststück (Cephalotorax) auf dem die Augen sitzen, kann sie durch die obere und seitliche Anordnung der 3 Nebenaugenpaare nahezu einen Rundumblick erhalten.

Gerade bei Springspinnen kann man sehr schön beobachten, wie Nebenaugen und Hauptaugen zusammenarbeiten. Mit einem kleinen Experiment wie im Video zu sehen kann man das nachstellen.

Video: Die Springspinne Evarcha arcuata

Link führt zu YouTube.com

Findet man eine Springspinne, so kann man ihre Aufmerksamkeit erregen, indem man mit etwas Abstand über ihren Kopf Bewegungen vollführt. Es wird nicht lange dauern und sie richtet ihren gesamten Körper nach der Bewegung aus und schaut mit ihren großen Augen genau in die Richtung in der die Bewegung bemerkt wurde.

Nach obenDie Funktion der Augen bei der Jagd der Springspinne

Bei der Jagd der Springspinnen greifen die Funktionen der einzelnen Augen wie bei einem Uhrwerk sauber ineinander. Zuerst nehmen die Hinteren Seitenaugen eine Bewegung wahr. Die Spinne orientiert sich in Richtung Beute und fixiert das Objekt mit den Vorderen Mittelaugen. Diese wirken wie ein Teleobjektiv und liefern ein detaillierteres, möglicherweise sogar farbiges Bild und befähigen die Springspinnen auf eine nicht zu große Entfernung zu erkennen, um was es sich handelt. Sobald die Springspinne weiß, dass es sich um ein Beutetier handelt, schleicht sie sich an und die Vorderen Seitenaugen kommen ins Spiel. Mit ihnen wird der Abstand zur Beute abgeschätzt. Sobald die Beute in Sprungentfernung ist, stößt sich die Springspinne ab.

Nach obenPolarisiertes Licht und die Apulische Tarantel (Lycosa tarantula)

Die Nebenaugen – und auch die Hauptaugen – vieler Spinnen können polarisiertes Licht erkennen. Wolfspinnen und Plattbauchspinnen sind beispielsweise dazu in der Lage und verwenden es zur Orientierung (9) .

Viele Wolfsspinnen sind anders als der Namen suggeriert Lauerjäger. Die Apulische Tarantel baut eine mit Spinnenseide ausgekleidete Erdröhre mit einem oberirdischen Teil. Hier wartet sie auf Beute. Sobald ein geeignetes Insekt in der Nähe des Verstecks vorbeikommt stürmt die Spinne raus, verfolgt das Insekt gegebenenfalls und ergreift es. Anschließend zieht sie sich auf direktem Wege wieder in ihr Versteck zurück. Was so banal erscheint ist, ist gar nicht so einfach.

Wenn wir als Menschen kreuz und quer laufen, am Ziel ankommen, uns umdrehen und den Ausgangspunkt wieder sehen, dann stellt die Rückkehr dahin kein Problem dar. Doch was ist, wenn wir den Ausgangspunkt nicht mehr sehen? Wie finden wir dann zurück? Vor diesem Problem steht auch die Tarantel, wenn sie ihre Beute über ein paar Zentimeter verfolgt hat.

Wie macht sie das? Das Schlüsselwort heißt Pfadintegration. Vereinfacht bedeutet das, das sie in der Lage ist trotz etlicher Abweichungen von einer geraden Linie auf direktem Weg von E wieder nach A zurückzufinden.

Exkurs – Pfadintegration

Wenn wir uns ebenfalls der Pfadintegration (10) bedienen, dann benötigen wir ein Hilfsmittel. Ein Kompass wäre eine gute Wahl. Wenn wir vom Startpunkt (A) aus die Richtung und Entfernung zum ersten Wegpunkt (x1) messen, dann eine Richtungsänderung vornehmen und diese genauso messen in Gradzahl und Entfernung, dann legen wir gerade einen Polygonzug an. Wenn wir bei jeder weiteren Richtungsänderung so fortfahren, dann können wir am Endpunkt (E) angelangt mit etwas Mathematik sowohl Richtung als auch Entfernung zum Ausgangspunkt ermitteln.

Der Kompass der Tarantel ist das polarisierte Licht. Ihre Vorderen Mittelaugen übernehmen dabei die Wahrnehmung dieses Lichts. Doch das allein reicht ja noch nicht aus. Erst in der Kombination mit einer „Streckenmessung“ rechnet sich die Spinne den direkten Weg zum Versteck aus. Um über die Relevanz der weiteren Augenpaare etwas herauszufinden verdunkelten Wissenschaftler in einem Experiment die Vorderen Seitenaugen der Spinne. Dabei stellten sie fest, dass es dem Tier jetzt nicht mehr möglich war, den Weg zurück zum Schlupfwinkel zu finden. Sie folgerten daraus, dass die verdunkelten Augen offenbar die Dinge wahrnahmen, die notwendig sind, damit sie sich im Raum orientieren (11) (12) bzw. die Streckenmessung durchführen kann.

Nach obenFazit: Warum haben Spinnen also so viele Augen?

Doch zurück zur Ausgangsfrage warum Spinnen so viele Augen haben.

Die ökologische Fitness spielt wieder einmal die Hauptrolle: Was fördert das Überleben und was fördert die Menge der eigenen Nachkommen?

Wir können uns das jetzt an den verschiedenen Beschreibungen ein bischen selbst zusammenreimen. Da Spinne keinen beweglichen Kopf dafür aber eine Vielzahl an Fressfeinden haben, haben die Individuen einen evolutionären Vorteil, die über ein weites Gesichtsfeld verfügen. Wenn also die Anordnung der Augen einen Rundumblick ermöglicht. Dafür kann es schon ausreichen, schemenhaft Bewegungen wahrzunehmen um ggf. rechtzeitig fliehen zu können.

Die detailliertere Sehfähigkeit der Hauptaugen auch bei den Nebenaugen wäre dafür nicht notwendig und würde keinen Fitnessvorteil bringen. Es könnte sogar eher das Gegenteil der Fall sein: es wäre Energieverschwendung ein Merkmal zu haben, dass für Überleben und Fortpflanzung keinen Mehrwert bietet. Es kann beispielsweise weniger energieintensiv sein, vorsorglich zu flüchten, als Augen zu entwickeln, die in alle Richtungen auf 20-30 cm oder noch weitere Entfernungen scharf sehen.

Richtet sich die Spinne nach dem bewegten Objekt aus, etwa um zu beurteilen, ob es als Beute in Frage kommt, dann wäre reines Schema sehen nur dann kein Nachteil, wenn es durch andere Fertigkeiten kompensiert werden würde. Für Lauerjäger, die warten bis ihnen die Beute quasi in die Arme läuft, ist das möglicherweise ausreichend, für Springspinnen kann das kaum in Frage kommen. Um sich springend auf die Beute zu stürzen, muss der Abstand sauber geschätzt und bereits auf etwas Entfernung die Beute als solche erkannt werden können.

Hier hilft das detailliertere Sehen weiter.

Ein weiterer wichtiger Grundsatz in der Evolution ist der der energetischen Limitation. Energie steht dem Organismus nicht unbegrenzt zur Verfügung. Die Entwicklung von zwei großen Superaugen, die Entfernung messen, detailliert sehen und polarisiertes Licht empfangen können war vielleicht mit zu hohen energetischen Kosten verbunden und mehrere Augenpaare, die unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen, brachten eher den entsprechenden Fitnessvorteil.

Evolution verläuft also nicht zielgerichtet. Warum sich nun ausgerechnet 8 Augen mit genau den Fähigkeiten ausgebildet haben, die sie haben, kann letztendlich nicht beantwortet werden. Es hätte sicherlich auch andere „Lösungen“ evolviert werden können, Beispiele findet man im Reich der Insekten. Die Funktion aber kann man mit viel Forschung und Experimenten erklären und aus der wiederum kann man versuchen den Fitnessvorteil abzuleiten.

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