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Die Große Zitterspinne (Pholcus phalangioides)


Letzte Aktualisierung: 24.12.2018

Die Große Zitterspinne ist eine ungefährliche Mitbewohnerin unserer Häuser. In Kellern und Wohnräumen fühlt sie sich wohl. Mit ihrem zierlichen Körper und ihren extrem langen und dünnen Beinen macht sie einen zerbrechlichen Eindruck, wenn sie kopfüber unter der Zimmerdecke in ihrem unstrukturiertem Netz hängt.

Die Große Zitterspinne hält einen Kokon mit Eiern in ihren Klauen.
Die Große Zitterspinne hält einen Kokon mit Eiern in ihren Klauen.

Nach obenHäuslicher Mitbewohner

Die Große Zitterspinne (Pholcus phalangioides) ist mein häufigster achtbeiniger Mitbewohner. Während sich schon seit Ewigkeiten keine Hauswinkelspinne mehr ins Haus verirrt hat und nur alle paar Wochen mal eine Kräuseljagdspinne über die Wände huscht, lächeln mir die Zitterspinnen irgendwie immer von der Zimmerdecke entgegen, und wenn sie da nicht sind, dann findet man sie in Bodennähe irgendwo im Eck. Mit anderen Worten: Sie sind allgegenwärtig und hat man die eine rausgetragen, kommt die andere gleich wieder rein. Man kann fast schon von einem Drehtüreffekt sprechen.

Die recht ähnliche Kleine Zitterspinne (Pholcus opilionoides) ist dagegen eher selten in Wohnungen anzutreffen (1).

Als Kosmopolit findet man Pholcus phalangioides nicht nur in deutschen Wohnzimmern, man kann sie auch in vielen anderen Teilen der Welt entdecken. Selbst in Australien, bekannt für eine Reihe wirklich giftiger Spinnen, kommt sie vor.

Manchmal scheint es, als würden sie frei schwebend unter der Zimmerdecke hängen. Natürlich tun sie das nicht. Die Große Zitterspinne baut ein von Weitem annähernd unsichtbares Netz. Hier hält sie sich ganz offen auf, sodass man sie leicht beobachten kann. Dieses Netz ist sehr unregelmäßig gebaut und kann immer größer werden. So kann es durchaus sein, dass das Netz der einen Zitterspinne im Laufe der Zeit in das Netz einer anderen phalangioides übergeht. Die Zitterspinne gehört nicht zu den wenigen sozialen Spinnen. Dennoch geschieht dem Nachbarn nichts. Allerdings ist die Große Zitterspinne auch dafür bekannt, schon mal zum Kannibalismus zu neigen. Letzteres ist aber eine durch Hunger getriebene Ausnahme.

Die Große Zitterspinne ist eigentlich gar nicht so groß. An dem eher zarten, schmalen Körper hängen aber extrem lange, zerbrechlich wirkende Beine, die sie größer wirken lassen. Überrascht ist man, wenn man erfährt, was und wen dieses unscheinbare Spinnchen so alles zu seinem Beutespektrum zählt. Neben Fliegen unterschiedlichster Größe und Kellerasseln kommen auch andere Spinnen mit auf den Speiseplan.

Video: Die Große Zitterspinne (Pholcus phalangioides)

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Nach obenZitterspinne versus Hauswinkelspinne

So filigran und verletzlich sie auch aussehen, sie sind es wirklich nicht. Die Hauswinkelspinne (Tegenaria domestica, Tegenaria atrica), auch Winkelspinne oder Kellerspinne genannt – Albtraum jedes Spinnenphobikers – ist „die“ Spinne im Haus, die Panikattacken auslösen kann. Sie ist groß und haarig, dazu noch mit langen und kräftigen Beinen ausgestattet – und die machen sie irre schnell. In Sekundenbruchteilen scheint es, huscht sie von einem in das andere Eck eines Zimmers. Das ist auch die Spinne, die – hat sie sich mal in die Badewanne verlaufen – aus selbiger nicht mehr herauskommt. Vergleicht man daneben die Zitterspinne, so wirkt die Zitterspinne nicht einmal wie eine halbe Portion. Wie man sich doch täuschen kann. Die Zitterspinne ist bekannt dafür, sich auch mal bei anderen Spinnenarten zu bedienen. Sie schaut dabei nicht in deren Netzen vorbei um ähnlich einer Skorpionsfliege, Beute aus dem Netz zu stibitzen, nein sie hat es durchaus auf die Bewohnerinnen selbst abgesehen. Wobei die männchen Hauswinkelspinnen, die auf der Suche nach einem Weibchen umherstreifen, auch schon mal selbst in das Netz einer Zitterspinne geraten können.

Der Zitterspinne kommen dabei ihre langen Beine zugute. Aus ihren Spinnwarzen zieht sie mit den Beinen eine hochfängische Spinnenseide, wirft sie über Tegenaria und wickelt sie blitzschnell ein. Immer einen sicheren Abstand mit ihren langen Beinen zu den Giftklauen der erbeuteten Spinne haltend (2).

Doch nicht nur Hauswinkelspinnen gehören zu ihrem Beutespektrum.

Nach obenZitterspinne versus Redback Spider

In Australien jagt die Große Zitterspinne beispielsweise auch die Rotrückenspinne (Latrodectus hasselti). Die Rotrückenspinne – auch Redback Spider genannt – gehört zur Spinnengattung der Witwen. Sie ist aufgrund ihrer Giftigkeit eine in Australien gefürchtete Spinne. Möglicherweise ist diese Beobachtung der Grund dafür, dass sich der Mythos entwickelt hat, dass auch die Große Zitterspinne sehr giftig sein soll. Die Zitterspinne überwältigt die Rotrückenspinne aber auf die gleiche Art wie in Deutschland die Hauswinkelspinne. Mark Harvey vom Western Australien Museum betont außerdem, dass die unterschiedliche Toxizität des Gifts der beiden Spinnenarten dabei keine Rolle spielt (3). Vielmehr komme der Zitterspinne zusätzlich zu ihren langen Beinen noch zugute, dass die Beine so extrem dünn seien. Mit anderen Worten, es sei für die Rotrückenspinne kaum möglich erfolgreich einen Giftbiss zu platzieren.

Nach obenToxizität – die Zitterspinne als giftigste Spinne?

Im Internet kursieren Gerüchte, wonach die Zitterspinnen hochgiftig seien und nur aufgrund ihrer schwach entwickelten Beißwerkzeuge die menschliche Haut nicht durchdringen können. Ausschließlich und allein deshalb seien sie ungefährlich (4). Allerdings gibt es für dieses moderne Märchen keinerlei wissenschaftliche Belege. Zunächst wird diese Geschichte gerne für Weberknechte erzählt, nicht wissend, dass Weberknecht und Zitterspinne nicht ein und dasselbe Tier bezeichnen. Daneben fehlt jeder wissenschaftliche Nachweis über eine besondere – insbesondere für Menschen tödliche – Toxizität des Giftes von Pholcus phalangioides. Gemäß der Webseite der University of California, Riverside, liegen bisher keine Versuche hinsichtlich der Letalität des Giftes bei Säugetieren vor (5). Mit anderen Worten: Man weiß nichts über das Gift. Was man allerdings weiß ist, dass es keine Berichte über Unfälle mit Zitterspinnen gibt.

Nach obenZitterspinne und Weberknecht

Weberknechte und Zitterspinnen haben eigentlich nur die langen Beine gemeinsam. Ansonsten sind sie doch sehr unterschiedlich. Der grundsätzlichste Unterschied ist der, dass Webspinnen, zu denen die Zitterspinnen gehören, zweigliederig sind. Ihr Körper sich also in ein Kopfbruststück und einen Hinterleib unterteilt. Während Insekten dreigliederig sind, das Kopfbruststück noch einmal in Kopf und Brust geteilt ist, sind die Weberknechte quasi ungeteilt. Ein weiteres deutliches Unterscheidungskriterium ist die Anzahl der Augen. Spinnen – so auch die Große Zitterspinne – haben in der Regel acht Augen, Weberknechte haben nur zwei.

Nach obenFortpflanzung & Paarung

Es lohnt sich, öfters mal bei unseren filigranen Mitbewohnern vorbeizuschauen.

Die Männchen der Großen Zitterspinne sind sehr leicht an ihren großen Pedipalpen (Kiefertaster) zu erkennen. In dem am Ende stark verdickten Kiefertaster befinden sich die männlichen Kopulationsorgane.

Da die Zitterspinnen ganzjährig fortpflanzungsfähig sind, ist es recht wahrscheinlich, dass man früher oder später ein Weibchen entdeckt, das in ihren Cheliceren (Kieferklauen) eine Sammlung an Eiern hält. Weil der Kokon durchsichtig ist, ist es ein leichtes die Eier darin zu zählen: Rund 20 Stück (6) kann man erwarten. Wartet man jetzt ein paar Tage, dann kann man sehen, wie sich in den ebenfalls stark durchsichtigen Eiern langsam die Jungspinnen entwickeln. Sind die kleinen Spinnen dann geschlüpft, wirkt das Netz des Muttertiers so, als hätte sich über Nacht eine Menge kleiner Beutetiere dort verfangen. Doch weit gefehlt: Auch hier verrät der genaue Blick, dass es sich um den Nachwuchs handelt.

Nach obenAuch noch interessant

Zittern

Aus irgendeinem Grund muss die Zitterspinne ja Zitterspinne heißen. Sie zeigt – ähnlich der Wespenspinne – ein spezielles Verhalten, wenn sie sich bedroht fühlt. Die Zitterspinne versetzt sich und damit ihr Netz in rasend schnelle Schwingungen. Durch die Schnelligkeit der Bewegung verschwimmt sie mit der Umgebung und kann von eventuellen Prädatoren nicht mehr genau wahrgenommen werden: Sie zittert.

Pilz

Es kann vorkommen, dass man in seinem Keller eine gruselige Entdeckung macht. Unter der Decke hängen tote Spinnen in Weiß. Sie sehen aus wie kleine Zuckerwattebällchen aus denen skurriler Weise dünnen Beinchen herausragen (7). Von der Spinne selbst ist dabei nicht mehr viel zu erkennen. Ein pathogener Pilz hat die Spinne getötet.

Lebenserwartung

Die Lebenserwartung der Großen Zitterspinne beträgt drei Jahre.

Spinne des Jahres 2003

Die Arachnologische Gesellschaft vergibt jährlich den Ehrentitel „Spinne des Jahres“. Der Großen Zitterspinne wurde 2003 dieser Ehrentitel zuteil (8).


Nach obenQuellen und weiterführende Links